Roman "Beutewelt III - Organisierte Wut" (Leseprobe)

Konspiratives Treffen (S.33-35)

Frank Kohlhaas, Alfred Bäumer, Herr Wilden und zwei weitere Männer aus Ivas standen auf einem abgelegenen Parkplatz und warteten. Die Uhr zeigte jetzt schon 22.00 Uhr und es wurde langsam dunkel.
Sie waren in einen Außenbezirk der Stadt Wizebsk im Nordwesten Weißrusslands gefahren und hatten sich neben einem leerstehenden Gebäude postiert. Die Männer spähten nun seit einer Weile zur Landstraße, welche zu ihnen führte, herüber.
„So, wir haben 22.02 Uhr – pünktlich sind die schon einmal nicht“, knurrte Herr Wilden und musterte seine Digitaluhr.

„Hauptsache sie kommen und sind sauber“, warf Alf in die Runde.

Martin Steinbacher, einer der beiden jungen Männer, die als Begleitschutz mitgekommen waren, schluckte nervös und atmete schwer.

„Ruhig bleiben!“, flüsterte ihm Frank zu und tastete nach seiner Pistole, die er tief in seinem Mantel hatte verschwinden lassen.

Nach einigen Minuten sahen sie die Scheinwerfer eines Autos am Horizont aufblitzen. Jemand näherte sich dem Treffpunkt.

„Aha...“, sagte Wilden nur und warf den beiden jüngeren Begleitern einen ernsten Blick zu.

Der PKW kam mit einem leisen Brummen näher. Er schien ebenfalls fünf Personen zu transportieren, deren Umrisse man durch die Scheiben im Halbdunkel ausmachen konnte.

Das Fahrzeug hielt an und ein hagerer, blonder Mann in einem langen, grauen Trenchcoat stieg als erster aus. Dann folgten ihm vier weitere Männer, die grimmig dreinschauten und komplett schwarz gekleidet waren.

Der blonde Mann, Artur Tschistokjow, näherte sich Wilden, welchen er richtig als Anführer der fünf Fremden ausgemacht hatte und reichte ihm die Hand.

„Menja sawut Artur Tschistokjow!“, sagte er mit einem freundlichen Lächeln.

„Priwjet, Thorsten Wilden!“, antwortete der Dorfchef und warf einen freundlichen Blick zurück.

„Please talk in English, Mr. Tschistokjow!”, bat Wilden sein Gegenüber.

Die anderen Männer kamen jetzt auch näher und stellten sich vor. Frank und die anderen waren beruhigt und schüttelten ihnen die Hände.

„Tj nemez?“, fragte Tschistokjow.

„Da! Ja nemez!“, sprach Wilden und grinste.

„Choroschow! Dann ich versuche sprechen in Deutsch!“, gab der Anführer der Freiheitsbewegung zurück und zog seine Augenbrauen nach oben.

„Gut! Das freut mich. Sie können also deutsch, Herr Tschistokjow...“, sagte Wilden gelöst.

„Ein bisschen ich kann sprechen. Es wird genug sein zur Konversation...“

Wilden schien sofort Gefallen an seinem Gesprächspartner gefunden zu haben und redete nun munter drauflos. Arturs Gefolgsleute schwiegen und standen nur wie Statuen hinter ihm.

„Warum haben sie deutsch gelernt?“, wollte das Oberhaupt von Ivas wissen.

„Ich bin großer Freund von deutsche Kultur. Dann ich habe als Hobby deutsche Sprache gelernt“, gab Tschistokjow zurück und nickte.

„Tut mir leid, dass ich euch an so eine Ort treffen muss, aber es ist wegen „security“. Sie verstehen?“

„Sicherheit...", sagte Frank.

„Ja, wegen Sicherheit!“, ergänzte der blonde Mann und lächelte Kohlhaas zu.

Das Gespräch dauerte fast zwei Stunden und bald war es so dunkel, dass nur noch die Scheinwerfer der beiden Autos den zehn Männern etwas Orientierung gaben.

Die Gäste aus Ivas und ihre neuen Bekannten aus Weißrussland verstanden sich prächtig und waren politisch vollkommen auf einer Linie. Wilden gab wie üblich sein umfassendes Wissen zum Besten und staunte nicht schlecht, dass ihm Artur Tschistokjow trotz Sprachschwierigkeiten auf gleichem Niveau antworten konnte.

Nachdem sie sich auf dem Parkplatz schließlich gründlich die Beine in den Bauch gestanden hatten, verabschiedeten sich alle voneinander.

„Wir bleiben in Kontakt. Ich freue mich schon auf gemeinsame Aktionen“, sagte Wilden euphorisch zuletzt und klopfte Tschistokjow freundschaftlich auf die Schulter. Dann fuhren sie davon.

(S. 126-131)

„Sie dir das an!“ Franks Augen quollen ihm aus den Höhlen. Vor ihm blickte er auf ein Meer von Menschen und Fahnen. Sie alle waren den ganzen Monat im Norden des Landes unterwegs gewesen und hatten nächtelang Tausende von Flugblättern verteilt. Zudem hatten Arturs Radiosender und Internetseiten die heutige Veranstaltung wochenlang intensiv beworben. Es hatte sich gelohnt.
Fast 20000 Leute waren heute am Rande der Großstadt Gomel zusammen gekommen und es wurden immer mehr.

„Das ist unglaublich!“, rief Sven enthusiastisch aus. „So eine riesige Masse an Leuten haben wir noch nie auf die Straße bekommen!“

„Es geht los...“, bemerkte Wilden und warf ihnen einen freudestrahlenden Blick zu.

Der Demonstrationszug setzte sich in Bewegung. Langsam, vom Dröhnen der Sprechchöre begleitet. Schritt für Schritt marschierten sie in Richtung Innenstadt. Wer sich ihnen heute in den Weg stellte, den erwartete eine zum allem entschlossene Masse.

„Arturs erster Auftritt in einer echten Großstadt. Ich bin gespannt, was heute abgeht“, sagte Alf mit einem leisen Anflug von Unsicherheit.

„Mach dir keine Sorgen“, erwiderte Kohlhaas zuversichtlich.

Die riesige Kolonne bewegte sich ruhig in Richtung des Stadtzentrums. Gewaltige Transparente zeigten den zahllosen Zuschauern des Spektakels Sprüche wie „Die Zeit der Freiheit naht!“ oder „Sicherheit und Arbeit für unser Volk!“.

Diese Botschaften wollten mehr und mehr Verzweifelte hören und Artur scheute keine Gefahr, seine Lehren jetzt auch in die größeren Städte zu tragen.

Frank und Alfred eilten an den Rand des Demonstrationszuges und luden ihre Gewehre durch. Mittlerweile war Kohlhaas vielen der Russen ein Begriff geworden und sie behandelten ihn mit Respekt und Ehrfurcht. Immerhin hatte er ihrem Anführer das Leben gerettet.

„Follow me! Dawaj! Dawaj!“, rief er und signalisierte einigen der bewaffneten Ordner,  dass sie mit nach vorne an die Spitze der Menschenmasse kommen sollten. Die jungen Männer eilten ihm nach.

Die Masse erreichte einen großen Platz, nachdem sie eine trostlose Einkaufspassage voller Billigkaufhäuser passiert hatte. Hier wurden die Demonstranten von mehreren tausend Polizisten erwartet, die Menge stoppte.

„Ich begrüße euch, meine Landsleute von der Polizei! Bitte verhaltet euch friedlich und wir werden es auch tun! Ihr könnt euch meine Rede anhören und ich hoffe, dass ihr danach versteht, dass wir auch euch befreien wollen!“, brüllte Tschistokjow ihnen per Megafon entgegen.

„Das ist eine ganz Armada, und sie sehen nicht so aus, als ob sie uns hier einfach machen lassen wollen“, kam von Bäumer.

Drei Panzerwagen rollten hinter einer Hauswand hervor, fünf weitere kamen aus einer Nebenstraße.

„Wir sind in einer Stunde hier wieder weg. Ich halte nur meine Rede und dann ziehen wir friedlich ab. Ich verspreche es!“, rief der Anführer der „Rus“.

Die Polizisten gingen hinter einigen hastig aufgebauten Schutzwänden und Barrikaden in Stellung, dann legten sie an. Ein kräftiger Polizeioffizier trat vor seine Leute, schnappte sich ein Megafon und antwortete Tschistokjow: „Alle haben diesen Platz sofort zu verlassen oder wir schießen!“

„Los, in Stellung gehen. Get your guns, dawaj!“, Frank winkte weitere Ordner heran, die ihre Gewehre von den Schultern nahmen und eine Schützenreihe bildeten.

„Habe doch gewusst, dass das nicht so harmlos verläuft wie in diesen Kuhkäffern“, zischte Alf und zielte auf den Polizeioffizier.

Die über 20000 Demonstrationsteilnehmer waren zum größten Teil keine kampfbereiten Mitglieder des militanten Arms von Arturs Freiheitsbewegung. Viele einfache Bürger hatten sich in letzter Zeit Tschistokjows Organisation angeschlossen. Frauen und sogar Kinder waren auch dabei. Die Ordner in ihren grauen Hemden versuchten sie so gut es ging ganz nach hinten zu bringen.

„Ich bitte euch, gebt uns nur eine Stunde. Dann ziehen wir ab!“, erwiderte Tschistokjow erneut.

„Die Versammlung wird sofort aufgelöst, sonst feuern wir!“, kam zurück.

„Wir werden nicht gehen! Ich werde sprechen und ihr müsst mich schon erschießen, damit ich meinen Mund halte! Von euch und von uns werden heute viele sterben, wenn ihr uns diese eine Stunde nicht gewährt. Ist es das wert?“, drohte Tschistokjow.

Eine lange und unheimliche Minute verstrich, die Masse raunte und wurde immer unruhiger. Sämtliche Ordner der Freiheitsbewegung waren nun auch nach vorne in Stellung gegangen. Frank und Alfred lagen nebeneinander auf dem Asphalt.

Der Polizeioffizier zog sich hinter seine Männer zurück und brüllte den Feuerbefehl. Einige der Beamten zögerten für einen kurzen Augenblick, dann donnerte es los und die ersten Demonstrationsteilnehmer sanken keuchend und blutend zu Boden.

„Feuer!“, brüllte Tschistokjow in sein Megafon nachdem er in der Menge verschwunden war.

Ein ohrenbetäubender Getacker begann. Mehrere Dutzend Polizisten wurden niedergeschossen, Hunderte der Demonstrierenden innerhalb nur weniger Minuten. Zu allem Übel kamen jetzt auch noch die gepanzerten Wagen, welche mit ihren Zwillings-Maschinenkanonen in die Masse feuerten.

Fontänen aus Blut und Fleischstücken flogen Frank um die Ohren, Schreie hallten in seinen Ohren wider und ein dicker Mann, dessen Brust von einem Volltreffer zerfetzt worden war, fiel auf seinen Rücken.

Frank schoss als kriegserprobter Schütze zwei Beamten ins Gesicht und schickte sie zu Boden, dann rollte er den Toten zur Seite und zog sich zurück.

„Komm, Alf! Das hier können wir nicht gewinnen! Weg hier!“, schrie er und zog Bäumer mit sich.

Die Masse der Demonstranten geriet in Panik und flüchtete in die Nebenstraßen. Hunderte von Toten und Verwundeten bedeckten schon jetzt den Platz. Die Panzerwagen rollten näher heran und hielten mit ihren Geschützen voll in die Menge hinein. Es war ein Massaker.

„In die Gasse dort!“, brüllte Alf und Frank folgte ihm. Hunderte von Menschen versuchten hier durch eine Polizeiabsperrung zu brechen und die Heranstürmenden wurden liefen mitten in eine furchtbare MG-Slave. Dann stürzten die ersten „Rus“ auf die Polizeibeamten und schlugen mit Fäusten und Eisenstangen um sich. Die bewaffneten Ordner folgten ihnen und feuerten zurück, ein furchtbares Chaos entbrannte.

Die in Panik geratenen Menschen prügelten in ihrer Furcht weiter auf die Polizisten, die ihnen den Weg versperrten, ein, und sprangen hinter ihre Schutzwälle.

„Ihr verdammten Ratten!“, knurrte Frank und schoss sein ganzes Magazin leer. Dann warf er das Gewehr weg und zog eine kleine Axt aus seinem Gürtel. Dem ersten Polizisten schlug mit so einer Wucht auf den Schädel, dass sein Helm mit samt seinem Schädel zerbarst. Einem nächsten hackte er das blutige Beil vor Wut rasend in die Schulter, so dass die Waffe fast in ihm stecken blieb.

Die zahlenmäßig unterlegenen Polizisten zogen sich aus der Nebengasse zurück und viele wurden von dem wütenden Mob erschossen oder erschlagen.

„Die haben versucht uns einzukesseln! Mist!“, brüllte Bäumer und nahm die Pistole eines verletzten Polizisten vom Boden auf. Er schoss ihm in die Brust und fluchte.

Weitere Menschen versuchten nun durch die frei gewordene Nebenstraße zu flüchten und rissen Frank und Alf einfach mit sich. Es war ein heilloses Durcheinander. Die beiden Männer und einige Dutzend andere liefen durch eine mit Müll und Schutt übersäte Gasse und schossen jeden nieder, der sich ihnen in den Weg stellte.

„Wir müssen irgendwo ein Auto herbekommen“, schrie Frank und bog in eine weitere Straße ein. Einige Russen folgten ihnen.

Sie kamen zu einer kleinen Kreuzung. Wie von Sinnen rannten sie auf einen Wagen zu, der an einer Ampel stand und schossen die Seitenscheibe kaputt. Ein entsetzter Mann starrte sie an und stammelte etwas auf Russisch.

„Get out of your car or I kill you!“, fauchte Kohlhaas und zerrte ihn aus dem Auto. Der Wagen startete mit quietschenden Reifen und brauste los.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße“, jammerte er und raste wie ein Verrückter durch die Straßen.

„Da! Autobahn! Richtung Minsk!“ Alf deutete auf ein verrostetes Schild, sie bogen nach links ab und sausten auf eine Zubringerstraße. Als sie Gomel hinter sich ließen, gaben sie ein kurzes Stoßgebet gen Himmel ab.

„Das hätte heute voll ins Auge gehen können. So ein elender Mist!“, schimpfte Alf.

Kohlhaas schlug mit der Faust gegen die Windschutzscheibe und brummte leise vor sich hin.

Die beiden fuhren über Minsk, tankten kurz und erreichten nach einigen Stunden Ivas. Sie hatten den furchtbaren Tag überlebt.

 

 



 
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